Page 35 - Ärzteblatt Sachsen, Oktober-Ausgabe 2025
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          hauptsächlich von Patientinnen    wichtszunahme ist für eine Verbesse- eigenen Körpers und körperbezogenem
          verursacht wurde, die im Akutsta-  rung des körperlichen und psychischen   Vermeidungs- und Kontrollverhalten
                                                                                Kumulative Habilitationsschrift: Habilitati-
          dium noch keine Erhöhung aufge-   Zustands essenziell und prognostisch   onsschrift, die publizierte Veröffent li chun-
          wiesen hatten .                   relevant .                          gen des/der Habilitierenden zu einem be-
                                            Es bestehen allerdings nach wie vor   stimmten Thema beinhaltet, diese einord-
                                                                                net und zusammenfasst
        Befunde bei langfristig gewichtsreha­  noch erhebliche Wissenslücken in der   Leptin: Appetit-regulierendes Hormon, des-
        bilitierten ehemaligen Betroffenen  Therapie der Anorexia nervosa . Erkenn- sen Blutkonzentration bei Anorexia nervo-
        Zwei der einbezogenen Studien schlos- bar wird dieses Defizit an der Hetero-  sa stark erniedrigt und ein Indikator für den
                                                                                Schweregrad der Störung ist
        sen eine Gruppe langfristig gewichtsre- genität der Leitlinien im internationa-  Multivoxel­ H­Magnetresonanzspektros­
                                                                                         1
        habilitierter ehemaliger Betroffener ein,  len Vergleich und den Therapievariatio-  kopie: Nicht-invasive Messung gewebespe-
        deren Body-Mass-Index und Leptin- nen in der Versorgungsrealität . Als   zifischer Metabolit-Konzentrationen im Ge-
                                                                                  hirn im Magnetresonanztomographen
        konzentration auf dem Niveau der ge- Beispiel kann das Fehlen einheitlicher  N­Acetyl­Aspartat: Mit Multivoxel- H-Ma-
                                                                                                            1
        sunden Kontrollgruppe lagen [37, 38] .  klinischer Empfehlungen zur Ernäh-  gnetresonanzspektroskopie im Gehirn be-
        Auch für PYY 3-36  zeigten sich keine  rungszusammensetzung  angeführt  stimmter Marker für neuronale Schädi-
                                                                                gungsprozesse
        Gruppenunterschiede [38] . Es ergaben  werden .                         Neurofilament Light:  Neuronaler Schädi-
        sich jedoch bei den langfristig ge- Deutliche Wissensdefizite bestehen   gungsmarker im Blut
        wichtsrehabilitierten  ehemaligen  Be- auch zu Effekten des Refeedings, die   Peptid YY 3­36 : Appetit-regulierendes Neuro-
                                                                                peptid
        troffenen weiterhin mehr essstörungs- über die üblichen Outcome-Parameter  Plasmalipidom:  Gesamtheit  der  im  Blut-
        spezifische psychische Symptome im  Gewichtszunahme und Auftreten des   plasma vorkommenden Lipidmoleküle
        Vergleich zu den gesunden Kontrollpro- Refeeding-Syndroms hinausgehen, ins-  Refeeding: Wiederaufnahme beziehungs-
                                                                                weise Steigerung der Nahrungszufuhr bei
        bandinnen und in einer Studie eine wei- besondere zu möglichen kurzfristigen   starker Unterernährung
        terhin erhöhte körperliche Aktivität  unerwünschten Wirkungen . Die Quali-  Refeeding­Syndrom: Potenziell lebensbe-
                                                                                drohlicher Zustand zu Beginn des Refee-
        [37] .  Außerdem  zeigten  sich bei den  tät einer modernen Medizin basiert   dings bei starker Unterernährung, bei dem
        langfristig gewichtsrehabilitierten ehe- wesentlich auf der verfügbaren Evi- es zu Elektrolytstörungen, Störungen des
        maligen Betroffenen eine noch immer  denz .  Eine  weitere  Intensivierung  der   Flüssigkeitshaushalts und verschiedenen
                                                                                Organdysfunktionen kommen kann
        bestehende Anandamid-Erhöhung so- Forschung zu diesem Thema ist daher
        wie positive Korrelationen zwischen der  dringend erforderlich, um klarere, evi-      Korrespondierende Autorin:
        anhaltend erhöhten körperlichen Akti- denzbasierte Handlungsempfehlungen     Priv .-Doz . Dr . med . habil . Friederike Tam
                                                                                      Bereich für Psychosoziale Medizin und
        vität und den Konzentrationen der en- geben zu können und den Nutzen für         Entwicklungsneurowissenschaften
        docannabinoidverwandten Metabolite  die Betroffenen zu maximieren . ■      Universitätsklinikum Dresden, Medizinische
                                                                                               Fakultät Carl Gustav Carus
        [37] . Dies deutet darauf hin, dass die                                            Technische Universität Dresden
        erhöhte körperliche  Aktivität  als  Resi-  Glossar:                             Fetscherstraße 74, 01307 Dresden
                                            Anandamid: Endocannabinoid, körpereige-
        dualsymptomatik ein wichtiger mode-  ner (endogener) Agonist der Cannabinoidre-    E-Mail: friederike .tam@ukdd .de
                                                                                                       Literatur unter
        rierender Faktor für die persistierende   zeptoren                              www .slaek .de/aerzteblatt-sachsen
        Veränderung des Endocannabinoidsys-  Bio­psycho­soziales Krankheitsmodell: In-
                                            tegratives Krankheitsmodell, das biologi-
        tems sein könnte .                  sche, psychische und soziale Faktoren und
                                            deren Interaktion berücksichtigt, zurückge-
        Schlussfolgerungen und Ausblick     hend auf den US-amerikanischen Arzt
                                            George L . Engel
        Die durchgeführten Studien, die im We- Ceramide: Zu den Sphingolipiden gehören-
        sentlichen der  Grundlagenforschung   de Lipide, die als Biomarker für kardiovas-  Möchten auch Sie die Forschungs-
        zuzuordnen sind, trugen durch Charak-  kuläre Erkrankungen diskutiert werden  ergeb nisse Ihrer Habilitationsarbeit
                                            Cholin: Mit Multivoxel- H-Magnetresonanz-
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        terisierung unterschiedlicher medizini- spektroskopie im Gehirn bestimm ter Marker   vorstellen, dann senden Sie gern Ihr
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        scher Parameter hinsichtlich ihrer Dy-  für den Membranumsatz                (Autorenhinweise unter www .slaek .de) .
        namik im Verlauf der Anorexia nervosa   Endocannabinoidsystem:  Körpereigenes
                                            Signalsystem, das aus Endocannabinoiden
                                                                                      Die Redaktion „Ärzteblatt Sachsen“
        zu einem Erkenntnisgewinn bei . Sie er- (wie  Anandamid),  endocannabinoidver-  gibt Ein blicke in die Medizin- Forschung

          weitern das Verständnis der Pathome-  wandten Metaboliten und den  Cannabino-   in Sachsen und veröffentlicht in unregel-
        chanismen  der  Störung  und  bestäti -  idrezeptoren besteht und unter anderem   mäßigen Abständen Fachbeiträge auf
                                            von großer Bedeutung für den Energie-
                                                                                      Basis von Habilitations arbeiten von
        gen das höherkalorische Refeeding    stoffwechsel ist                        Absolventinnen und Absolventen der
        als grundlegenden und unverzichtba-  Körperbildstörung: Störung der Wahrneh-  Medizinischen Fakultäten in Sachsen .
                                            mung der eigenen Körperform, häufig ein-
        ren Therapiebaustein . Eine rasche Ge-  hergehend mit negativer Bewertung des
        Ärzteblatt Sachsen  10|2025                                                                               35
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