Page 4 - Ärzteblatt Sachsen, Oktober-Ausgabe 2025
P. 4

MEINE MEINUNG




                                                              zwischen Großstadt und ländlichem Raum, um nur einige zu
                                                              nennen . Jede Veränderung an einer Stellschraube löst ein
                                                              Beben  an anderer Stelle aus . Fast  können Wetten abge-
                                                              schlossen werden, ob das Krankenhausversorgungsverbes-
                                                              serungsgesetz, die Klage der Krankenkassen gegen den
                                                              Bund auf Erstattung von zehn Milliarden Euro wegen Unter-
                                                              finanzierung von Krankenkassenbeiträgen oder die Abschaf-
                                                              fung des Bundes-Klinik-Atlas Erfolg haben beziehungsweise
                                                              umgesetzt werden . Auf die Verantwortlichen in der Politik,
                                                              die diese Umwälzungen bewerkstelligen sollen, bin ich nicht
                                                              neidisch .


                                                              Ungeachtet der Tatsache, dass es das Patentrezept für ein
                                                         © SLÄK/  FOTOGRAFISCH  preiswertes, gerechtes, beitragsstabiles und hoch effizien-
                                                              tes Gesundheitswesen nicht gibt – die Bemühungen um Ver-
                         Dr . med . Stefan Hufper             besserung sind vorhanden . Als ein Fortschritt in der Medizin
                                                              wird die künstliche Intelligenz gesehen . Nicht nur, dass die
                                                              natürliche Intelligenz womöglich weiter abnimmt, die KI hat
        Krankes Gesundheitswesen                              zweifellos eine Zukunft und ein ungeahntes Potenzial .

                                                              Auf einem Symposium der Niederschlesischen Ärztekammer
        Wieso lasse ich mich, angestellter Arzt in einem Kranken- und der Sächsischen Landesärztekammer in Wrocław wurde
        haus der Grund- und Regelversorgung, auf dieses riesige  ausgiebig darüber debattiert, von der Faszination bis zur Ge-
        Thema ein? Es treibt mich um, es nervt und ich weiß auf vie- fahr des Missbrauchs und der Manipulation, von Utopie und
        le Fragen keine Antwort .                             Realem, von Rechtsfragen und Beispielen, wo die KI schon
                                                              zum Einsatz kommt . Ein empfehlenswerter Artikel dazu ist
        Die Gesundheit wird oft als das höchste Gut beschrieben –  in diesem Heft zu finden .
        jede Gratulation beinhaltet den Wunsch nach Gesundheit . Je
        nachdem, welche Quelle ich finde, ist das Gesundheitswesen  Manchem Missstand kann auch in eigener Initiative begeg-
        mal gut, mal Mittelmaß, immer zu teuer und immer fehlt et- net  werden .  Seit  Gründung  der  ersten  Weiterbildungsver-
        was – Arzneimittel, Pflegende, Ärzte . Für unser höchstes Gut  bünde hat sich ein flächendeckendes Netzwerk gebildet .
        wird demnach Einiges getan, aber nie genug und für Pessi- Etliche Absolventen der Weiterbildung zum Facharzt für All-
        misten stets das Falsche .                            gemeinmedizin konnten so für Regionen in Sachsen gewon-
        Sehe ich das aus Sicht der Akteure, dann stört die bis zur  nen werden .
        Idiotie verkommende Bürokratisierung (ICD 10: R46 .2), die  Es gibt genug Gründe, das Gesundheitswesen in seiner jet-
        Regelungswut, die Minutenmedizin . Digitalisierung liefert  zigen Form zu kritisieren . Jeder von uns, geneigter Leser, ist
        Ansätze, ist aber noch kleinteilig, störanfällig und bietet nur  aber Teil des Systems . Mit jedem inneren Rückzug, mit jeder
        teilweise die Vorteile, die gepriesen werden .        Verabschiedung aus diesem Beruf wird der Mangel größer,
                                                              fehlen Hände, Hirn und Herz . Und es gibt sie noch – die schö-
        Aus Sicht der Patienten stehen andere Interessen im Vorder- nen Momente unserer Arbeit, nette und aufrichtige Kollegen,
        grund: schnelle Termine, Erreichbarkeit 24/7, einfache Wege  klasse Teams und dankbare Patienten .
        und verfügbare Spezialisten .
        Bei der Frage nach einer Umgestaltung des Gesundheitswe- Wir sollten diese positiven Aspekte unserer Tätigkeit bewah-
        sens existieren viele Ideen und Meinungen . So gibt es neben  ren und die Veränderungen, so sie denn kommen, kritisch
        vielen Wirtschafts-, Klima-, Fußball- und allerlei weiteren  begleiten . Gespannt dürfen wir auf den Herbst der Entschei-
        Experten auch solche für Gesundheit . Der Begriff ist übri- dungen warten, der uns verkündet wurde und hoffen, dass
        gens nicht geschützt, sondern bedeutet nur, dass der Be- nicht der Herbst im Gesundheitswesen Einzug hält . ■
        treffende sich dazu äußern möchte . Ideen und Meinungen
        bringen aber nicht die Veränderungen, die unser Gesund-
        heitswesen braucht . Zu kompliziert sind die Zusammenhän-                                Dr . med . Stefan Hupfer
        ge, zu stark die Einzelinteressen, zu groß die Unterschiede                                 Vorstandsmitglied


      4                                                                                          Ärzteblatt Sachsen  10|2025
   1   2   3   4   5   6   7   8   9